November 30 , 2016:
Frankfurt - Einmal Auge in Auge mit einem Saurier stehen, zum Anfassen nahe - im Frankfurter Senckenbergmuseum wird dieser Kinderwunsch war. Hier ist Deutschlands größte Sauriersammlung zu Hause – eines der Urtiere wird nun zum virtuellen Leben erweckt. Von Eva Krafczyk
Die Zeitreise dauert nur kurz, aber sie geht 150 Millionen Jahre zurück, bis in die Jurazeit. Ganz langsam reckt der Langhalssaurier Diplodocus seinen beeindruckend langen Hals. Gemächlich setzt er seine kräftigen Beine in Bewegung, die den massiven Körper tragen. Plötzlich bewegen sich die Nüstern, der Saurier nimmt Witterung auf, nähert sich der Balustrade. Plötzlich ist er da, und der Besucher steht buchstäblich Auge in Auge mit dem Dinosaurier. Beinahe bernsteingelbe Augen, schießt es noch durch den Kopf, ehe die lange Saurierschnauze mit ihren sicherlich scharfen Zähnen für Ablenkung sorgt.
Doch keine Sorge, bei Diplodocus handelt es sich um einen Pflanzenfresser, und obendrein ist der Saurier wie seine Artgenossen seit Millionen von Jahren ausgestorben. Im Frankfurter Senckenberg-Naturmuseum wird er nun virtuell zu neuem Leben erweckt. Für Museumsdirektor Bernd Herkner ist die Simulation mit Datenbrille keineswegs Spielerei: „Wir müssen natürlich auch mit der Zeit gehen, und da kommt man an virtueller Realität nicht vorbei“, sagte er heute bei der Vorstellung des Prototypen der Reise in die Urzeit.
Möglich ist der Ausflug in die ferne Vergangenheit auch dank des Mainzer Studenten Alexander Oster. Für seine Abschlussarbeit am Fachbereich „zeitbasierte Medien“ wollte er eine dreidimensionale Dinosaurier-Simulation produzieren - und nahm vor einem Jahr Kontakt mit dem Museum auf. Herkner war sofort begeistert: „Mein Spezialgebiet ist die Bewegung ausgestorbener Tierarten - also hat das perfekt gepasst.“ Schließlich sollten Körperbau und Bewegungen des Sauriers korrekt dargestellt werden. Mit dem Thema seiner Abschlussarbeit erfüllte sich Oster auch einen Kindheitstraum: „Welches Kind ist schließlich nicht von Sauriern begeistert?“, fragte er. Mit virtueller Realität lasse sich nicht nur spielen, sondern auch lernen: „Man kann Menschen sehr schnell in andere Welten oder Zeiten versetzen - für ein Museum ist das ideal.“
Vom 16. Dezember an können Besucher dank Urzeit-Brille ebenfalls die Zeitreise antreten. Die Masterarbeit Osters soll dann noch leicht ergänzt werden, verriet Museumschef Herkner. „Wir wollen, dass dann auch noch Flugsaurier ein paar Manöver durchführen.“ Das müssten dann aber andere sein als jener Flugsaurier, dessen Skelett im Sauriersaal in der Nachbarschaft des Original-Diplodocus angebracht ist. „Der ist nicht aus der Jurazeit“, begründete Herkner. „Wenn wir da Saurier aus einer ganz anderen Zeit herumlaufen lassen, merken das die Kinder doch sofort.“
Der Sauriersaal des Museums steht auch am Anfang des Erlebnisses mit der Urzeit-Brille. Doch dann überzieht sich das Diplodocus-Skelett mit einem Gittermuster, Bäume sprießen, die Urzeitlandschaft nimmt Gestalt an und auch der Saurier wirkt plötzlich ganz lebendig. „Das wird nur ein Anfang sein“, so Herkner. Schließlich wird das Museum derzeit umgebaut, die Ausstellungsfläche vergrößert. Da soll auch die Chance neuer Technologien stärker genutzt werden. Allerdings müssten die virtuellen Anwendungen stets auch dem Bildungscharakter des Museums entsprechen und dürften den eigentlichen Exponaten keine Konkurrenz machen. Bei aller Saurier-Action soll auf Gruselmomente verzichtet werden: „Wir sind schließlich ein Familienmuseum.“ (dpa)
https://www.op-online.de/region/frankfurt/neues-leben-diplodocus-6965257.html
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