July 22 , 2016
by Andre Stephan
Vom Velociraptor bis zum Deinonychus: Die Schau „Dinosaurier – Die Urzeit lebt“ im Münsteraner Naturkundemuseum zeigt die Echsen im bunten Federkleid. Während der Dinosaurier-Wochen gibt es ein Sonderprogramm.
Im Schutz des tiefen Grüns der Baumfarne bewegt sich beinahe lautlos ein über drei Meter langer Raubsaurier. Während die Blätter über das bunte Federkleid des Deinonychus streifen, hat er seine Schnauze in die Höhe erhoben, um die Witterung nicht zu verlieren: Er ist auf Jagd. Nach wenigen Minuten entdecken seine orangeroten Augen ein Beutetier, das einige Meter entfernt brackiges Wasser aus einem Tümpel schlürft. Der Raubsaurier sprintet los. Als ihn sein Opfer bemerkt, stößt er sich mit seinen beiden kräftigen Beinen vom Boden ab, landet auf dem Rücken des Beutetiers, rammt seine Fußkrallen in dessen Leib und erlegt es mit einem geübten Biss in den Hals.
So jedenfalls stellen sich Forscher das Jagdverhalten des Raubsauriers vor 123 Millionen Jahren in Nordamerika vor. 13 Millionen Jahre später starb er aus, vor 66 Millionen Jahren folgten dann alle anderen Dinosaurier. So lautete zumindest lange Zeit die Lehrmeinung. Heute weiß man: Die Dinosaurier sind nie ausgestorben. Eine Gruppe von ihnen entwickelte sich zu Vögeln weiter. Doch wenn sie mit Vögeln verwandt sind, sahen sie ihnen wohl auch ähnlicher als Reptilien, vermuten Wissenschaftler. Das Bild der Dinosaurier musste neu gemalt werden. Das Ergebnis davon ist in der Ausstellung „Dinosaurier – Die Urzeit lebt“ im Naturkundemuseum in Münster zu sehen. Während der Dinosaurierwochen ab Dienstag, 12. Juli, stehen die Tiere dort erneut im Fokus.
Das revidierte Dinosaurierbild wird beim Deinonychus besonders deutlich. Gleich zwei Modelle des Raubsauriers werden in Münster ausgestellt. Das 20 Jahre alte Modell zeigt das Tier mit einer gelbschwarzen Schuppenhaut. Die neuere Skulptur hingegen präsentiert Deinonychus mit buntem Federkleid.
Was die Ausstellung zu einem Besuchermagneten macht – seit der Eröffnung 2014 sahen sich mehr als 300.000 Gäste die Schau an – ist laut dem wissenschaftlichen Kurator Dr. Jan Ole Kriegs, „dass jeder Besucher in der Ausstellung etwas für sich entdecken kann und durchaus überraschende Objekte in der Ausstellung zu finden sind.“
Die Welt der Dinosaurier wird den Besuchern so plastisch wie nur irgend möglich mit großen Skeletten und Modellen gezeigt. „Einige dürfen auch angefasst werden. Der Berührungskontakt mit den Objekten ist immer etwas besonderes“, erklärt Museumspressesprecherin Bianca Fialla.
Ein auf den ersten Blick unauffälliges und doch eines der schönsten Modelle ist das Nest einer Citipati-Familie, einer Dinosaurierart aus der Mongolei, die aufgrund der Größe und des Federkleids entfernt an Hühner erinnert. Während das Elterntier den Kopf in die Höhe reckt und nach Gefahren Ausschau hält, liegen unter ihm Eier mit dunklen Sprenkeln. Ein bereits geschlüpftes Jungtier blickt erwartungsvoll in Richtung der Mutter. Dabei reist es seinen Schnabel auf wie ein Vogeljunges. Die Szene wirkt so lebendig, dass der Besucher meinen könnte, jeden Moment ein Piepen des Kükens zu hören. Woher die Forscher das Brutverhalten eines Dinosauriers kennen, der vor 76 Millionen Jahren lebte? Paläontologen fanden fossile Überreste eines Citipati-Nestes samt Muttertier.
Kein Piepsen, sondern eher ein Brüllen hat wohl der Allosaurus vor 145 Millionen Jahren in Nordamerika und Südeuropa ausgestoßen. Der Raubsaurier ist sowohl als Skelett als auch als Modell in der Schau zu finden. Das Tier, das über neun Meter lang werden konnte, war der gefährlichste Räuber seiner Zeit. Besonders gelungen: Direkt neben dem Skelett stehen Gerippe der Pflanzenfresser Camarasaurus und Stegosaurus. Sie lebten zur gleichen Zeit in Nordamerika und gehörten zu den Beutetieren von Allosaurus. Der gefährliche Feind erklärt, wieso sich Stegosaurus mit massiven Knochenplatten auf dem Rücken schützen musste. Mit seinem dornenbewährten Schwanz hatte er auch eine Waffe, um sich gegen Raubsaurier zu verteidigen.
Iguanodons begannen sich vor 139 Millionen Jahren über den Planeten auszubreiten – und wie: Skelette des „Kuh der Dinosaurierzeit“ genannten Pflanzenfressers fanden sich in Europa, Asien, Afrika und Nordamerika. In Münster wird das Skelett eines Tiers gezeigt, das in Belgien ausgegraben wurde.
Dominiert wird die Ausstellung, wie es angemessener kaum sein könnte, vom König der Dinosaurier: Tyrannosaurus Rex. Wer vor dem Skelettabguss des sechs Tonnen schweren Raubsauriers steht, ist froh, dass es sich nicht um ein lebendes Tier handelt. Zähne so groß und spitz wie Dolche, ein Maul in das ohne Mühe ein ganzes Wildschwein passt und der kräftigste Kiefer aller landlebenden Tiere verschaffen Respekt – oder Begeisterung. Gerade bei den jüngeren Museumsbesuchern ist der T-Rex der Star der Schau. Gebannt blicken sie immer wieder in Richtung des gewaltigen Fleischfressers, der vor 66 Millionen Jahren durch Nordamerika stapfte.
Unscheinbar wirkt im Vergleich das Modell eines Velociraptors. Der seit dem Spielfilm Jurassic Park in der Öffentlichkeit bekannte Raubsaurier, der vor 76 Millionen Jahren die Wüste Gobi unsicher machte, ist anders als im Film keine zwei Meter lang, sondern hat die Größe eines Truthahns. Statt Schuppen bedeckt ein braunweißes Federkleid seine Haut. Das Modell ist das einzige seiner Art in Deutschland und für Dinosaurierfans Grund genug, nach Münster zu kommen.
Während der Dinosaurierwochen vom 12. Juli bis 23. August werden Sonntagsführungen, Werkstattnachmittage und andere Programme angeboten. Mehr Informationen gibt es unter www.lwl.org.
http://www.gn-online.de/nachrichten/muensteraner-schau-zeigt-dinosaurier-im-federkleid-158393.html
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